
Stand 2006

Stand 2006

Wie absurd wäre es über die Rekonstruktion des Forum Romanums oder des Colosseums nachzudenken und ihnen eine zeitgemässe Nutzung einzuhauchen?
Immerhin ist relativ viel davon erhalten und es wäre sicherlich sinnvoller solch zentrale Orte in das städtische Leben zu integrieren, anstatt als Nekropolen künstlich durch Touristen am Leben zu halten.
In Berlin liegt der Fall aber anders. Das Schloss wurde 1950 gesprengt, übrig sind nur ein paar Gesteinsbrocken und das im Staatratsgebäude verbaute Portal – soll das eigentlich dort wieder rausgerissen werden?
Kaum einer kann sich daran erinnern, wie Berlin mit dem Schloss aussah. Ich meine, hat es wirklich er>lebt<. Ca. 20 Prozent der deutschen Bevölkerung ist über 65 Jahre, übertragen auf Berlin-Brandenburg sind das 1,4 Millionen Menschen. Das sind unter 2 Prozent der gesamten deutschen Bevölkerung. Und das ist sehr optimistisch gerechnet. Nicht jeder, der 1,4 Millionen Berlin-Brandenburger über 65 Jahren war jemals in der Nähe des Schlosses vor über 61 Jahren. Man sollte vielleicht noch erwähnen, dass die Zerstörung schon 1945 gegen Ende des Krieges begann.
In Facebook gibt es 1.114 Gefällt-mir (Stand 7.7.11) für den Schloss-Wiederaufbau. Gibt es auch einen Gefällt-mir-nicht-Button oder muss erst eine „Kein-Berliner-Schloss“-Gruppe gegründet werden, um dagegen sein zu können? Zum Vergleich: Aldi Nord hat nur 435 Gefällt-mir, Fortuna Düsseldorf 49.076 und DER SPIEGEL 160.232.
600 Millionen Euro entsprechen 8x dem Centre Georges Pompidou (Baupreis 70er Jahre), 6x dem Porsche Museum, 3x dem Umbau des Neuen Museum und 2x der Allianzarena.
Und da ist sie schon wieder: eine 6 mit gaanz vielen Nullen.
Gregor Gysi sagte bei Anne Will am 26. Juni 2011 (http://daserste.ndr.de/annewill/videos/annewill3033.html) bei 38:12 min. ff.:
>…Es gibt 2000 Familien in Griechenland, denen 80 Prozent des Vermögens gehört. Wir haben soviel Millionäre. Die haben einen Besitz – die Vermögensmillionäre, ich rede nur von der Eurozone – bei 6 Billionen Euro, äh nee, US Dollar. Unsere Schulden machen auch 6 Billionen Euro [hat er Dollar gemeint?Egal]. Was wäre wenn wir einmal einer solchen Situation sagten, die Millionäre müssen eine Abgabe zahlen, eine Einmalige wenigstens, in ganz Europa? Damit wir mal aus der Situation herauskommen. …<
Das ist natürlich starke Polemik. Was das auf die Spitze getrieben heisst, ist klar. Oder?

Dieses recht charmante, authentische 60 er Jahre Hochhaus mit seinen Waschbetonbrüstungen und Fensterbändern steht seit Jahren leer. Warum eigentlich? Geht es uns hier so gut, dass wir auf eine Bruttogeschossfläche von ca. 14 x 500 m² = 7000 m² verzichten wollen oder können?
Das Haus ist ideal angebunden: liegt in der Nähe der U4 Heiligenstadt, der Nordbrücke und hat einen grossen Parkplatz vor der Tür.
Wenn es keine Kommerznutzung und keine Asbestbelastung o. ä. gibt, könnte wenigstens eine Zwischennutzung (für symbolische 100 pro Etage Kaltmiete) in Erwägung gezogen werden. In Berlin oder Amsterdam ist man sich schon seit Jahren dieser ungenutzen Flächen als Potenzial bewusst, und kommt als junger Irgendwas (Startup, Künstler, Designer, Freiberufler, Student etc.) günstig an Raum zur Entfaltung. Warum es nicht auch hier versuchen? Ist auf jeden Fall besser als eine riesengrosse Calvin Klein Werbung anzubringen. Zwischennutzung erzeugt wenigstens einen ideellen Mehrwert. Irgendjemand muss doch die ganze Zeit für die Bude Unterhaltkosten blechen. Kann mir nicht vorstellen, dass eine leerstehende Hütte niemanden nix kostet.
Eine Besichtigung Mitte der 1990er von Sevillas Expo ’92-Gelände wurde von einem unüberwindbaren Zaun verhindert. Dazu legte sich sanft der rote Wüstensand über die Pavillons. Ziemlich deprimierend das Ganze.
Es ist zu befürchten, dass es vielen der hochmodernen Fussballarenen in Südafrika und demnächst in Polen/Ukraine und Brasilien ähnlich ergehen wird wie den Pavillons in Sevilla – abgesehen davon, dass es für viele dieser Länder ein finanzielles Desaster bedeutet, wenn auch keine auslastende Nachnutzung vorhanden ist. Dazu kommt, dass unterstellt wird, planerisches und logistisches Knowhow sei nicht vorhanden, um Sportstätten in entsprechenden Zeit- und Kostenrahmen zu errichten. Also exportieren wir unsere Planer und Baufirmen gleich mit. Gut für uns, schlecht für die anderen.

Warum baut man nicht z. B. Stadien, die von einer WM zur nächsten wandern? Ein Flagschiff bleibt stehen und der Rest zieht weiter. Bildlich gesprochen: Das Stadion ist ein Schlauchboot und schwimmt über den Ozean von einem zum nächsten Grossereignis.