Spocht

Ein Fussballspiel – zwei öffentlich-rechtliche Sender übertragen?

Ich kann mich noch sehr gut an die Fernseh-Übertragungen der Länderspiele in den 70ern erinnern – besonders an die Auswärtspiele im damaligen Ostblock. Das Farbfernsehen war damals ohnehin noch nicht von besonderer Qualität, zusätzlich negativ ausgewirkt auf die Qualität hatten sich die Bilder des entsprechenden Staatsfernsehens. Es gab damals nur drei Kameras im Stadion. Eine für die normale Übertragung von der Haupttribüne und die zwei anderen für den Revers Angle, die Wiederholung in Zeitlupe, hinter den Toren. Seit wann gibt es eigentlich das „R“ nicht mehr?reverseangle.jpg
Der Kommentar war akustisch überlagert von starkem Rauschen und Störgeräuschen. Man benutzte wohl eine der drei Telefonleitungen, die damals in den Westen gingen und vom Geheimdienst abgehört wurden. Inhaltlich war der Kommentar auch auf das Wesentliche beschränkt „Zewe……[Sprechpause von 1 Minute] … Breitner…[Sprechpause von 30 Sekunden] …Müller…..[Sprechpause von 1 Minute]…Tor.“ Alles total sachlich und unemotional. Zwischendurch fiel auch gerne mal der Ton ganz oder teilweise aus. Die Übertragungen begannen direkt nach den Nachrichten und endeten mit dem Schlusspfiff.

Heutzutage ist alles anders. Nicht nur, dass ca. 50 Kameras im Stadion aufgestellt werden um u. a. jeden Spieler einzeln zu beobachten und das Spektakel je zwei gefühlte Stunden vorher und nachher mit völlig uninteressanten „Hintergrundinformationen“ bestehend aus Pressekonferenzen, Interviews, Close-ups, Kurzfilmen, Expertengesprächen, Preisfragen etc. aufgeblasen wird und auch der Kommentator die Sprechpausen mit weiteren Informationen füllen kann; sondern auch Bild- und Tonqualität sind sind nahezu perfekt. Meistens zumindest. Wenn das Wetter mitspielt.
Das Spektakel findet heute sogar schon für Relegationsspiele der Bundesliga in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten statt. Bewundernswert wofür die Gebühren ausgegeben werden.

Den Gipfel fand ich allerdings die Übertragung des EM-Qualifikationsspiel zwischen Österrreich und Deutschland gestern. Der ORF hatte die komplette Batterie da, die ARD auch. Sie konnte auf der gegenüberliegenden Seite ihre Geräte aufstellen.
OK, die Qualität der ORF Übertragung erinnert immernoch stark an die 70er. Man wechsele bei z. B. einer WM zwischen ORF und ARD – beide benutzen das gleiche
Bild – und Tonmaterial. Beim ORF sind die Farben flacher, die Geräuschkulisse ist unkontrolliert laut und der Kommentar ausgesprochen nüchtern.
Lustig bei dem Spiel gestern ist durch die unterschiedlichen Blickwinkel gewesen, dass das Spiel subjektiv in zwei verschiedene Richtungen stattfindet. Auf dem einen Sender spielen die Deutschen von links nach rechts , auf dem Anderen von rechts nach links. In der gleichen Halbzeit. Und, oh Wunder, die Bandenwerbung ist eine andere – abgestimmt auf das nationale Publikum.
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Hoffentlich rechtfertigt die Werbung den betriebenen Aufwand, das Material, die Techniker, Reporter, Experten etc. nach Wien zu karren, teilweise in Hotels unterzubringen, mit Speis und Trank zu versorgen und Gehälter und Übertragungsrechte zu zahlen. Hoffentlich bleibt der GEZ-Topf dabei unangetastet.

Irgendwie schon komisch das Ganze, zwei öffentlich-rechtliche Sender das gleiche Spiel und jeder mit seinem Equipment, obwohl sie ohnehin schon bei vielen anderen Sendungen kooperieren. Man stelle sich vor, der ORF brächte seine eigene Mannschaft zur Übertragung von „Wetten das…?“ mit nach Hamburg.

Mit dem Schlauchboot zur nächsten Fussball WM

Eine Besichtigung Mitte der 1990er von Sevillas Expo ’92-Gelände wurde von einem unüberwindbaren Zaun verhindert. Dazu legte sich sanft der rote Wüstensand über die Pavillons. Ziemlich deprimierend das Ganze.

Es ist zu befürchten, dass es vielen der hochmodernen Fussballarenen in Südafrika und demnächst in Polen/Ukraine und Brasilien ähnlich ergehen wird wie den Pavillons in Sevilla – abgesehen davon, dass es für viele dieser Länder ein finanzielles Desaster bedeutet, wenn auch keine auslastende Nachnutzung vorhanden ist. Dazu kommt, dass unterstellt wird, planerisches und logistisches Knowhow sei nicht vorhanden, um Sportstätten in entsprechenden Zeit- und Kostenrahmen zu errichten. Also exportieren wir unsere Planer und Baufirmen gleich mit. Gut für uns, schlecht für die anderen.
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Warum baut man nicht z. B. Stadien, die von einer WM zur nächsten wandern? Ein Flagschiff bleibt stehen und der Rest zieht weiter. Bildlich gesprochen: Das Stadion ist ein Schlauchboot und schwimmt über den Ozean von einem zum nächsten Grossereignis.